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Kino

Lola

Freitag, 26. April 2024 - 20:30
Samstag, 27. April 2024 - 20:30
Andrew Legges „Lola“ lässt zwei Britinnen in den frühen 40er-Jahren eine nach ihre Mutter Lola benannte Maschine erfinden, die mit weitreichenden Folgen Funk- und Fernsehsignale aus der Zukunft empfangen kann ... Englisch, deutsch untertitelt.
Geschichte konnte auf der Leinwand schon lange im Detail verändert und beispielsweise um vermeintlich bemerkenswerte, vom kollektiven Gedächtnis nicht berücksichtigte Figuren ergänzt werden: in Woody Allens „Zelig“ (1981) oder in Zemeckis’ „Forrest Gump“ (1994) wird etwa dokumentarisches Archivmaterial mit gespielten, fiktiven Figuren angereichert … Es konnte aber auch spekulativer eine alternative Geschichte durchdacht werden: In „It Happened Here“ (1964) oder der Serie „The Man in the High Castle“ (2015) nach Philip K. Dicks Roman aus dem Jahr 1962 haben die Faschisten den Zweiten Weltkrieg gewonnen; in einem „Inglourious Basterds“ (2009) hingegen werden Hitler und andere Nazigrößen in einem Kino massakriert. Andrew Legges „Lola“ lässt nun die zwei Schwestern, die ganz modern ihren Mann stehen, mittels ihrer bahnbrechenden Erfindung mit Begeisterung (natürlich!) einen androgynen David Bowie hören und betrachten … oder auch die „Kinks“, bei denen es im Song „Lola“ einst hieß: „Girls will be boys and boys will be girls.“ Die Zeit indes ist noch nicht reif dafür: Als sie mit ihren Kenntnissen um den Verlauf des Kriegs der britischen Bevölkerung ganz anonym Warnungen zukommen lassen, werden sie als Unbekannte zwar schnell zur lokalen Legende, vergleichbar den Engeln von Mons als „Angel of Portobello“ etikettiert, doch es wird auch ein Mann des Militärs von ihrem Wirken profitieren und sich ein ordentliches Stückchen vom Kuchen abschneiden. Doch ganz im Sinne der Schmetterlingseffekt-Filme seit „Ist das Leben nicht schön?“ (1946) verändern die Eingriffe die Geschichte: David Bowie wird nun niemals ein Star geworden sein. Die wahren Probleme kommen jedoch erst noch, als man unwillentlich den Nationalsozialisten zum Sieg verhilft … Großbritannien ist bald faschistisch – und selbst die Rockmusik gerät sodann faschistisch, womit Legge auch auf „Privileg“ (1967) von Peter Watkins zurückgreift, dem Altmeister der fiktionalisierten Dokumentation oder dokumentarischen Fiktion: Dort etablierten konservative Kräfte Rockstars, welche die Jugend in ihrem Sinne prägten. Wie Watkins verleiht auch Legge seiner Fiktion den dokumentarischen Touch: Mit einem Found-Footage-Look kommt der Film als Homemade-Video aus den 40er-Jahren daher, als filmische „Flaschenpost im Meer der Geschichte“ quasi. Eine reizvolle Ästhetik zwischen kostengünstigen, konzentrierten Independent-Sci-Fi-Filmen à la Shane Carruth, semi-dokumentarischen Klassikern der 60er-Jahre sowie 40er-Jahre-S/W-Amateuraufnahmen und -Wochenschaubildern; leider nicht immer ganz überzeugend auf alt getrimmt. Die Nähe zu einem anderen Retro-Sci-Fi-Film über alternative Welten – „Die Theorie von Allem“ (2023) – ist frappierend. Beide Filme reiten freilich auf der Welle des Multiversen-Booms, der derzeit durch die Populärkultur geistert; beide Filme sind aber klug genug, um ihre wahren Wurzeln zu kennen: Auch „Lola“ zitiert Resnais und Robbe-Grillet mit ihrem „Letztes Jahr in Marienbad“ (1961), der seine Geschichte in unvereinbare, unaufdröselbare Alternativen zerfaserte. Indes ist „Lola“ – führt doch der Versuch der Selbstbestimmung anstelle von Schicksalsergebenheit bloß in die Katastrophe – eher bloß eine sympathische Spielerei, der man mit bösem Willen schnell ein unpolitisches Sich-mit-den-Gegebenheiten-abfinden unterstellen könnte. Womit man immerhin wieder bei Frank Capras „Ist das Leben nicht schön?“ wäre. Foto: © Neue Visionen Filmverleih
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